Die Rabenmütter in einer ungerechten Gesellschaft

Was passiert, wenn Menschen lesen, dass Kinder Folgeschäden davontragen, sofern Mütter früh(er) in die Erwerbstätigkeit einsteigen? Das Narrativ der Rabenmutter wird bestätigt, das schlechte Gewissen bestärkt. Die Rolle des Ernährers wird dem Vater zugespielt, die Mutter finanziell abhängig gemacht. Gerecht ist nur, wenn in Care-Angelegenheiten beide Elternteile gleichermaßen angesprochen werden.

Stichwort Care-Angelegenheiten: Ein Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagesbetreuung ist zu befürworten, und zwar so lange, bis die geschlechtsspezifische Lohnlücke geschlossen und die unbezahlte Sorgearbeit gleich verteilt ist. Wenn auch der Betreuungsausbau alleine nicht reicht, mitmachen müssen schon alle: Die Führungskräfte, die Vätern ihre Elternkarenz zugestehen, anstatt deren Männlichkeit in Frage zu stellen. Die Elternteile, die Care-Arbeit und -Verantwortung fair teilen, während sie (beide) die bezahlte Arbeitszeit reduzieren. Die Gesellschaft, die solidarisch sorgt und unterstützt. 

Aber: Nicht alle (Eltern) haben Wahlfreiheit, nicht alle (Kinder) ein behütendes familiäres Umfeld. Dementsprechend ist eine Betreuung außerhalb der eigenen vier Wände schon gar nicht zu verteufeln. Nicht nur für Eltern, sondern auch für die Kinder kann es entlastend wirken, eine externe Betreuungsstruktur in Anspruch zu nehmen. „Fremdbetreuung“ birgt sogar weitere Vorteile, das bestätigen Studien. Jedoch hängen diese nicht zuletzt von der Qualität der Betreuung und der Gruppengröße ab.

Nun, eine Vierzigstundenwoche für Babys und Kleinkinder mag nicht ideal sein. Ideal wäre eine Gesellschaft, in der eine Arbeitszeitverkürzung für beide Elternteile, qualitative externe Betreuung und eine gerecht geteilte Care-Verantwortung Konsens ist. Somit, um eine Kollegin zu zitieren, „wird dem Kind aus einer Teilzeit-Unterbringung in Einrichtungen mit adäquaten Gruppengrößen und qualifiziertem zugewandtem Personal kein Bindungsschaden erwachsen.“

Verfasserin: Anna Majcan, Sprecherin des Grazer Frauenrats
Erschienen in: Kleine Zeitung 10.01.2024

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