Mädchen ist (k)ein Schimpfwort

„In Mathe bin ich Deko“ steht auf dem kurzärmeligen Mädchen-T-Shirt im Sortiment eines Versandriesen. Dieser Spruch drückt in Kürze aus, worunter bereits Mädchen leiden: Hierarchische Schubladisierung aufgrund des Geschlechts. Und zwar weltweit. 

Alle Kinder haben die gleichen Rechte (Art. 2 der UN-Kinderrechtskonvention). Aber nicht die gleichen Chancen. Ungleichbehandlung beginnt bei der Geburt. In manchen Ländern sogar schon davor – Stichwort Abtreibung bei Bekanntwerden des unerwünschten weiblichen Geschlechts. 

Auch Care-Arbeit beginnt im Kindesalter. Damit ist nicht die Betreuung der eigenen Kinder gemeint, sondern das Kümmern von Kindern um Geschwister oder das Verrichten von Haushaltstätigkeiten, sei es Wäsche-Aufhängen oder Hilfe beim Kochen, was, nicht überraschend, häufig den Mädchen aufgebürdet wird. Von Bildungsbarrieren, Frühverheiratung und sexualisierter Gewalt, die Mädchen abhängig von Kulturkreis betreffen, ganz zu schweigen.

Zuweilen wird Mädchen als Synonym für Schwäche oder als Schimpfwort verwendet („Hör auf zu weinen, bist ja kein Mädchen“).
Und trotzdem – jetzt wird es paradox – gilt das Mädchenhafte als erstrebenswert. Während Burschen häufig ihrem Körperhaarwuchs entgegenfiebern, stellt ebendieser den Verfall der Mädchenhaftigkeit für Frauen dar. Letztere soll, Faltenfreiheit und mädchenhafte Unschuld inklusive, mit allen Mitteln aufrechterhalten werden. Schließlich wird die kindliche – mädchenhafte – Naivität von Tiktok-Alpha Males (das sind Influencer-Patriarchen, die jungen Männern „Lebensweisheiten“ mit auf den Weg geben) als Attraktivitätsattribut gepredigt. 

Schon seltsam, wie früh die Stereotypisierung beginnt, die uns ein Leben lang begleitet. Am 11. Oktober findet jährlich der Weltmädchentag statt, um die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Kindern aufgrund des Geschlechts ins Blickfeld zu rücken. Vielleicht bräuchte es daneben auch einen Weltburschentag, mit Forderungen zum Abbau toxischer Sozialisation, die zweifelsohne alle Kinder betrifft. Denn die Gleichstellung der Geschlechter ist nicht nur Menschenrecht, sondern auch von entscheidender Bedeutung für eine friedliche Welt.

Verfasserin: Anna Majcan, Sprecherin des Grazer Frauenrats
Erschienen in: Kleine Zeitung 13.10.2023

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