Der neue EU-Werbespot für mehr Frauen in den Naturwissenschaften beginnt zunächst mit einem Wissenschaftler am Mikroskop. Aus dem Off erscheinen plötzlich drei junge Damen in kurzen Röcken bzw. im kurzen Sommerkleid. Zwei der drei jungen Frauen tragen High Heels, alle drei scheinen sich besonders hübsch gemacht zu haben.
Der Mann nimmt verwundert seine Lesebrille ab, eine Bildabfolge von einem Stöckelschuh, einer Frau, die die Sonnenbrille abnimmt und rosa Punkten folgt. Die Punkte werden zur Farbe und schließlich zum rosa Lippenstift.
Rosa zieht sich im Hintergrund fort. Im Fokus sind nun Laborutensilien, rosa Fingernägel und unbeschwert tanzende, aber durchaus auch wissenschaftlich arbeitende Mädchen.
Immer mehr „frauentypische“ Gegenstände oder Handlungen werden in den Spot eingebaut: Nagellack, Puder und eine Frau, die Küsse in die Luft schickt; daneben findet sich immer wieder Laborzubehör wie beispielsweise Reagenzgläser oder Pipetten.
Nach einer Sequenz, in der eine Frau ungeschickt ein paar Bälle fallen lässt, und einem kurzen Abschlusstanz vor dem nun schon bekannten rosaroten Hintergrund, tauschen die jungen Frauen ihre Sonnenbrillen gegen im Labor übliche Schutzbrillen.
„Science: it’s a girl thing!“ erscheint im Bild. Das “i“ des ersten Wortes wird durch einen Lippenstift dargestellt.
Der Mann als seriös in einen weißen Mantel gekleideter Wissenschaftler – als Experte – wundert sich über die Erscheinung der drei jungen Frauen. Was diese Sequenz darstellen soll, ist nicht klar. Wird hier dargestellt, dass dieses Feld bislang männerdominiert war, oder wird hier doch mit heteronormativen Vorstellungen und Stereotypen gespielt?
Die Kleidung der dargestellten Frauen ist viel freizügiger im Vergleich zu der des Mannes. Die Mädchen werden in alters- und situationsunpassender Kleidung dargestellt. Die durchgehende Farbe ist rosa und gepaart mit Stöckelschuhen, Lippenstift, Nagellack und Puder, ergibt dies das Bild des absoluten Klischees einer jungen Frau.
Unbeschwert tanzende, nach stereotypisiertem Körperschönheitsideal ausgerichtete Mädchen, die neben dem „Küsse in die Luft schicken“ auch Wissenschaft betreiben können. Gesten der Unterwürfigkeit stehen neben Gesten seriösen wissenschaftlichen Arbeitens und nehmen sich gegenseitig die Aussagekraft.
Es werden ausschließlich „sehr weibliche“ Frauen mit ihren stereotypen Accessoires dargestellt, und so wird Druck insbesondere auf die Zielgruppe, junge Betrachterinnen, ausgeübt, ebenfalls besonders weiblich sein zu müssen.
Der eigentliche Zweck dieses Spots, Frauen in die Naturwissenschaften zu bringen, geht bei so vielen Tanzeinlagen und Ablenkungssequenzen durch stereotype Utensilien, schnell verloren. – Besonders bei einem Werbespot mit dem Ziel mehr Frauen in männerdominierte Berufe zu bringen, der noch dazu von der Europäische Union, die doch in den letzten Jahren zu vielen Fortschritten in Bezug auf Gleichstellung von Frau und Mann beigetragen hat, gemacht wird, hätten wir uns erwartet, dass nicht auf alte geschlechtsstereotype Mittel zurückgegriffen wird.
In dieser Werbung werden mehrere ‚typische Rezepte der Werbung im Umgang mit Frauen’ gestreift:
Frau = Sex – Die Frauen werden hier sehr stark auf ihren Körper, aber auch auf ihre kindliche Verspieltheit, welche durchaus auch sexuelle Signale liefert, reduziert.
Kosmetische Zwangsjacke – Es wird zwar nicht zur permanenten Schönheitspflege direkt aufgerufen, aber es wird zunächst davon ausgegangen, dass Kosmetikartikel und Weiblichkeit zusammengehört und in weiterer Folge ist etwa der Nagellack auch auf Fingernägeln zu finden.
Die Einstufung dieses Werbespots changierend zwischen Niveau 4 und Niveau 5
Niveau 4: Frauen an „ihrem“ Ort festhalten. Frauen auf „ihren“ Platz verweisen:
Frauen sind berufstätig, sie sind schmückendes Beiwerk oder ästhetische Attrappe.
Niveau 5: Frauen runtermachen:
Frauen sind nicht-denkende, zwei-dimensionale Dekoration. Sie sind sexueller Anreiz, beschränkt auf ihren dekorativen und ihren sexuellen Gebrauchswert.